Schweizer Motorräder von Allegro bis Zehnde
«Allein schon der Helvetismus «Töff» ist ein Beitrag zur Kultur- und Technikgeschichte der Schweiz. Kein anderes Land, keine andere Sprache hat das Erlebnis «Motorrad» lautmalerisch so treffend und schön übersetzt» (Dr. This Oberhänsli, Konservator Strassenverkehr, Verkehrshaus der Schweiz, Luzern)
Und nun veranstaltet das Gelbe Haus Flims eine Ausstellung zu den Töffs – wohlbewusst unter dem Titel «Alpenknattern», denn es dreht sich ausschliesslich um Motorräder, die in der Schweiz hergestellt wurden und eben geknattert haben.
Die Pioniertaten der Motorradentwicklung liegen in Frankreich, in Deutschland – und in der Schweiz. 1894 wurde in München das erste serienmässige Motorrad durch Hildebrand & Wolfmüller hergestellt, nur gerade ein Jahr später meldete der St. Galler Industrielle Karl Bleidorn sein erstes schweizerisches Motorrad zum Patent an (Patentschrift vom 27. Juli 1895). Bleidorn hat 1913 seine Maschinenfabrik an Adolph Saurer verkauft, der damit das Fundament für seine erfolgreiche Textilmaschinen- und Lastwagenfabrik legte.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann ein Wettlauf mit der Zeit: wer kann sich durchsetzen in der Herstellung des «Automobils des kleinen Mannes». Im ersten Jahrzehnt entstanden alleine in der Schweiz 30 Firmen, die Automobile und Motorräder herstellten. Noch im Jahr vor dem Kriegsbeginn 1914 war die Handelsbilanz für die Schweiz positiv: Importen von Fahrzeugen aus dem Ausland für Fr. 10 Mio. standen Exporte von über Fr. 14,5 Mio. gegenüber.
Der wirtschaftliche Erfolg der Schweizer Motorindustrie zeigt sich speziell am Erfolg der Motorräder: sie waren nicht nur technisch innovativ, sondern auch im Design ausserordentlich.
Die Gebrüder Dufaux entwickelten bereits um 1900 ein kleines, leichtes Motorrad unter dem Namen «Motosacoche», dessen Motor in einer Tasche (frz. Sacoche) eingebaut war. Die Maschine wurde 1903 bei einem Ausdauerrennen in Frankreich, bei dem in sechs Etappen über 1000 km zurückgelegt werden mussten, zunächst belächelt – niemand glaubte, dass die beiden Fahrer überhaupt die erste Etappe überstehen würden.
Das Staunen war dann um so grösser, als die «Motosacoche» den ersten Rang im Gesamtklassement belegte – mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27 km/h. Ebenfalls eine «Motosacoche» – damals aber bereits ohne Tasche – stellte 1915 einen Geschwindigkeitsweltrekord auf: Charles Lavanchy erreichte mit seiner Renn-Motosacoche 124 km/h und überflügelte damit den bis dahin bestehenden Rekord einer Peugeot-Maschine. Bis heute gab es rund 150 Motorradhersteller in der Schweiz – heute aktiv sind nur noch ganz wenige, wie zum Beispiel die Firma «Egli». Die Ausstellung im Gelben Haus in Flims bietet einen Querschnitt durch 110 Jahre Motorradgeschichte der Schweiz – ein Projekt, das bis anhin in dieser Form noch nie realisiert wurde. Swiss made in Reinkultur.